Ob als Recruiter, Personalreferent:in oder HR Business Partner – Sie kennen diese Situation: Die Kundin/der Kunde oder Fachbereich wünscht sich die/den ideale/n Kandidat:in, die/der neben den erforderlichen fachlichen, persönlichen und sozialen Kompetenzen auch Branchen-Know-how vorweisen kann. Dieses Phänomen betrifft viele Positionen und Bereiche. Ob Manager, Entwicklungsleitende, Marketing Specialist: Sie alle sollen nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig Erfahrung, den notwendigen Drive und bestimmte Spezialisierungen mitbringen. Andere Bewerbende scheinen von vornherein unbrauchbar zu sein. Ganz besonders gilt diese Annahme für Mitarbeitende und Führungskräfte im Vertrieb.
Glauben Sie an Branchen-Know-how als Must-have-Kriterium für erfolgreiche Sales Manager? Wir nicht!
Zugegeben: Branchen-Know-how ist kein Nachteil. Man kennt die Besonderheiten des Marktes und relevanter Produkte, man hat vielleicht auch ein belastbares Netzwerk. Doch schon hier beginnt die Legendenbildung: Nur die wenigsten Sales Manager akquirieren im neuen Unternehmen ad hoc neue Aufträge oder Kund:innen überwiegend aus ihrem eigenen Netzwerk. Neue Mitarbeitende im Vertrieb sind vor allem dann erfolgreich, wenn sie strukturierte Fleißarbeit leisten und dadurch belastbare Leads und Opportunities generieren. Ein gutes Netzwerk allein ist also kein Garant für den Vertriebserfolg!
Branchen-Know-how macht keinen guten Sales Manager aus …
Vor einiger Zeit haben wir für ein TecDax-Unternehmen eine/n neue/n Vertriebsleiter:in gesucht. Zu Beginn stand das Branchen-Know-how ganz weit oben auf der Liste der Anforderungen. Als strukturiert arbeitende Personalberatung haben wir den – in diesem Fall überschaubaren – Markt komplett evaluiert, bis wir wirklich jede/n potenzielle/n Kandidat:in identifiziert und gesprochen haben. Aber ein/e für einen Wechsel hinreichend motivierte/r und vor allem geeignete/r Kandidat:in war nicht dabei.
… sondern die Methodik
Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass erfolgreiche Sales Manager ihre Persönlichkeit, ihre Motivation und ihre Methodik im richtigen Maß in ihre Arbeit einbringen. Branchen-Know-how gehört nicht zur Methodik einer/eines erfolgreiche/n Sales Manager:in! Hierzu zählt ein strukturiertes Vorgehen sowie die Fähigkeit, Kundenwünsche zu antizipieren, zu verstehen und im richtigen Moment ein Angebot zu formulieren. Erfolgreiche Sales Manager können Entscheider:innen identifizieren, mit Fach- und Führungskräften sicher kommunizieren und den optimalen Kundennutzen herausstellen. Nicht zuletzt zählt auch die Fähigkeit, sich schnell in neue Aufgabenstellungen einarbeiten zu können. Und dazu gehört es auch, sich neues Branchenwissen aneignen zu können.
… die Persönlichkeit
Auch muss die Persönlichkeit einer/s Kandidat:in zur jeweiligen Rolle der Position passen. Ein/e Spezialist:in aus dem Consulting darf durchaus introvertiert sein, solange sie/er beim Entfachen ihres/seines fachlichen Feuerwerks regelrecht aufblüht. Ein/e Person in der Kaltakquise sollte eine extravertierte Persönlichkeit haben und sich so am besten im Außendienst einbringen können. Dieser Typ gehört wiederum eher nicht in den 2nd Level Support, da sie/er dort vor allem zuhören und reagieren muss. Alle drei Rollen erfordern zwar Kommunikationsfähigkeit, aber in jeweils unterschiedlicher Ausprägung. Im Recruiting ist man daher gut beraten, auch die individuelle Persönlichkeit einer/eines Kandidat:in zu berücksichtigen.
… und die Motive
Ebenfalls erfolgskritisch sind die Motive und Werte einer/s Kandidat:in, ganz besonders für Führungspositionen. Die Motive sollten mit denen der Geschäftsführung übereinstimmen oder sich ergänzen, um erfolgreich eine gemeinsame Vision zu verfolgen. Stehen die Motive und Werte sich zu sehr gegenüber, kann sich das kontraproduktiv auswirken (z. B. innovatives Streben nach Veränderung vs. konservative Bestandspflege).
Wann das Branchen-Know-how zu vernachlässigen ist
Wir konnten die vakante Position der Vertriebsleiterin/des Vertriebsleiters erfolgreich besetzen, weil wir das Unternehmen gut kannten und das wesentliche Anforderungsprofil auf die genannten drei Dimensionen reduzieren konnten. Wir haben nicht nur das vertriebliche Können der Kandidat:innen evaluiert, sondern auch die Persönlichkeit und Motive. Zudem hatten wir einen großartigen Mandanten, der unseren konstruktiven Vorschlägen wohlgesonnen gegenüber stand.
Das Unternehmen und der – branchenfremde – Kandidat arbeiten nun erfolgreich zusammen.